Ein Mann und eine Frau, die eine Mappe in der Hand hält, stehen in einer Werkstatt.
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Validierung von BerufserfahrungDas berufliche Feststellungsverfahren

Besteht in einem Beruf langjährige Erfahrung, ohne dass darin ein formaler Bildungsabschluss erworben wurde, kann die individuelle berufliche Handlungsfähigkeit im Nachgang bescheinigt werden. Gemessen wird dabei immer am Maßstab eines anerkannten Ausbildungsberufs. 

Menschen ohne Berufsabschluss in ihrem Tätigkeitsfeld haben es in der Arbeitswelt nicht immer leicht. Ihnen fehlt ein anerkannter Nachweis über ihr fachliches Knowhow und über das, was sie können. Beispielsweise bei der Arbeitssuche oder bei einem Arbeitgeberwechsel kann dies ein handfestes Problem werden, denn auf dem Arbeitsmarkt werden Menschen ohne anerkannte Ausbildung leicht übersehen oder unterschätzt.

Mit dem Validierungsgesetz werden berufliche Kompetenzen bewertet und bescheinigt, die unabhängig von einer formalen Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf (Referenzberuf) erworben wurden, aber mit einer solchen Ausbildung vergleichbar sind.

Nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens wird die berufliche Handlungsfähigkeit bei vollständiger Vergleichbarkeit in einem Zeugnis oder bei überwiegender Vergleichbarkeit in einem Bescheid schriftlich bestätigt.

Wird die berufliche Handlungsfähigkeit bescheinigt, hilft dies nicht nur der Einzelperson, sondern auch den Betrieben. Sie können damit die Fähigkeiten und das Können von Menschen ohne Berufsabschluss besser einschätzen und so Mitarbeitende passgenauer einsetzen und zielgerichtet weiterqualifizieren. Für Handwerksbetriebe kann das Validierungsverfahren somit zu einem Baustein in einer Gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung und Mitarbeiterbindung werden.

Im Folgenden beantworten wir Ihnen die häufigsten Fragen rund um das Verfahren. 

 

Ihre Ansprechpartnerin

Lara Durst

Berufsbildung

Tel. 07131 791-214

Fax 07131 791-2514

Lara.Durst--at--hwk-heilbronn.de

Alles, was Sie zum Verfahren wissen müssen

Das Verfahren richtet sich an Erwachsene
  • mit mehrjähriger Berufserfahrung,
  • ohne Berufsabschluss im ausgeübten Beruf,
  • mit Interesse an einem Nachweis über Ihre Kompetenzen,
  • für die eine Externenprüfung (noch) nicht in Frage kommt.
Teilnehmen können Personen, die 
  • mindestens 25 Jahre alt sind,
  • das 1,5-fache der regulären Ausbildungszeit als Berufserfahrung nachweisen können,
  • ihren Wohnsitz in Deutschland haben oder die Hälfte der nötigen Berufserfahrung in Deutschland erworben haben,
  • im Referenzberuf keinen deutschen Berufsabschluss oder keinen anerkannten ausländischen Abschluss haben sowie,
  • nicht in einem Berufsausbildungsverhältnis im Referenzberuf stehen.
Da das gesamte Verfahren auf Deutsch geführt wird, sind ausreichende Sprachkenntnisse nötig.
Das gesamte Verfahren wird auf Deutsch durchgeführt, daher sind ausreichende Sprachkenntnisse nötig. Das betrifft vor allem die Fachsprache im jeweiligen Beruf. Wenn Sie sich unsicher sind, lassen Sie sich von Ihrer Kammer beraten.
Der Referenzberuf ist der duale Ausbildungsberuf, in dem die berufliche Handlungskompetenz festgestellt werden soll.
Um an einem Validierungsverfahren teilzunehmen, ist mindestens das 1,5-fache der regulären Ausbildungszeit des Referenzberufs als einschlägige Berufserfahrung nötig. Diese muss den überwiegenden Teil des Berufsbildes abdecken.

Beispiel: Die Ausbildung im Beruf Friseur dauert drei Jahre. Für eine Bewertung in diesem Beruf müssen mindestens viereinhalb Jahre relevante Berufserfahrung nachgewiesen werden.
Das Verfahren erfolgt in vier Schritten.

Information und Beratung, Antragstellung, Bewertung und Ergebnismitteilung
Bundesministerium für Bildung und Forschung

  1. Information und Beratung
    Die interessierte Person erhält erste Informationen zum Verfahren und zu den Dokumenten, die für die Antragsstellung benötigt werden. Außerdem kann der passende Referenzberuf identifiziert werden. Der Referenzberuf ist ein dualer Ausbildungsberuf.
  2. Antragsstellung
    Die interessierte Person dokumentiert die beruflichen Fähigkeiten entlang des eigenen Lebenslaufs. Für die Antragsstellung werden die Angaben durch Arbeitszeugnisse, Arbeitsnachweise oder Zertifikate belegt. Die zuständige Stelle prüft den eingereichten Antrag und wertet die eingereichten Dokumente und Nachweise aus.
  3. Bewertung
    Ein Feststellungstandem, das aus zwei Prüfern besteht, stellt insbesondere mit praktischen und mündlichen Aufgaben die berufliche Handlungsfähigkeit im Gesamten oder in überwiegenden Teilen des Berufsbildes fest.
  4. Ergebnismitteilung
    Abhängig vom Ergebnis des Verfahrens stellt die Kammer ein Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit im Referenzberuf oder einen Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit im Referenzberuf aus.
Kann keine ausreichende berufliche Handlungsfähigkeit festgestellt werden, wird der Antrag abgelehnt.
  • Kopie eines Identitätsnachweises (z. B. Personalausweis, Reisepass)
  • Kopie eines Wohnsitznachweises (z. B. Personalausweis, Aufenthaltstitel)
  • Angaben zur Berufserfahrung im Referenzberuf (z. B. aktueller Lebenslauf)
  • Nachweise über den Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit (z. B. Arbeitszeugnisse, Weiterbildungen, Schulungen)
  • ggf. Antrag auf Nachteilsausgleich
Nachweise, die in einer anderen Sprache als in Deutsch ausgestellt sind, müssen in der Regel mit einer Übersetzung eingereicht werden.
Das Validierungsverfahren ist eine hoheitliche, gebührenpflichtige Leistung der Handwerkskammer. Die Gebühren legt die Handwerkskammer in ihren Gebührenordnungen fest.

Die Gebühren werden für die Zulassung zum Validierungsverfahren und für die Bewertung der beruflichen Handlungsfähigkeit getrennt erhoben:
  1. Gebühr für die Zulassung zum Verfahren („Antragsgebühr“ u.a. für Antragsstellung, Auswertung der Antragsunterlagen)
  2. Gebühr für die Bewertung der beruflichen Handlungsfähigkeit („Bewertungsgebühr“ u.a. für Aufgabenerstellung, Bewertung durch das Feststellungstandem)
Materialkosten fallen ggf. extra an.

Die Kammer informiert Sie gerne zu den Gebühren in Ihrem Verfahren.
Das Validierungsverfahren endet mit einem Zeugnis oder Bescheid. Folgende Ergebnisse sind möglich:
  • Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit
  • Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit
  • Bescheid über die Ablehnung des Antrags, wenn keine überwiegende Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit festgestellt werden kann
  • Für Menschen mit Behinderung, für die auf Grund von Art und Schwere der Behinderung die Feststellung der überwiegenden oder vollständigen, für die Ausübung des Referenzberufs erforderlichen beruflichen Handlungsfähigkeit nicht möglich ist:
    Bescheid über die teilweise Vergleichbarkeit ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit (siehe FAQ "Gibt es besondere Bestimmungen für Menschen mit Behinderung?")
Hinweis:
Es wird kein Berufsabschluss vergeben. Diesen erhält nur, wer eine deutsche Gesellen- oder Abschlussprüfung erfolgreich ablegt.
  • Anspruch auf Zulassung zur Gesellenprüfung bzw. Abschlussprüfung (sog. Externenprüfung)
  • Anspruch auf Zulassung zur Prüfung der ersten und zweiten Fortbildungsstufe (z. B. geprüfter Berufsspezialist, Bachelor Professional) (ggf. weitere Zulassungskriterien beachten)
  • Ausbildungsberechtigung: Mit einem Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit liegt die fachliche Eignung als Ausbilder für zulassungsfreie Handwerksberufe vor. Die berufs- und arbeitspädagogische Eignung muss zusätzlich nachgewiesen werden (AEVO-Prüfung, Teil IV der Meisterprüfung), um ausbilden zu dürfen.
  • Zum Zugang zur Meisterprüfung bzw. der fachlichen Eignung als Ausbilder in einem zulassungspflichtigen Handwerk berät Sie Ihre Kammer.
Hinweis: Auch ohne ein Zeugnis, das die vollständige Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit bescheinigt, besteht die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen zur Externenprüfung bzw. zur Prüfung der ersten und zweiten Fortbildungsstufe zugelassen zu werden.

Auch die fachliche Eignung als Ausbilder kann unter bestimmten Voraussetzungen von der Kammer widerruflich zuerkannt werden.

Lassen Sie sich diesbezüglich von Ihrer Kammer vorab beraten.
Bei Erhalt eines Bescheides über die überwiegende Vergleichbarkeit, kann binnen fünf Jahren ein Antrag auf ein Ergänzungsverfahren gestellt werden. Dieses hat das Ziel, die vollständige Vergleichbarkeit zu erreichen.
Das Ergänzungsverfahren richtet sich auf die Feststellung der vollständigen Vergleichbarkeit der beruflichen Kompetenzen. Ein Antrag auf ein Ergänzungsverfahren kann nur einmal gestellt werden.

Im Bescheid über die überwiegende Vergleichbarkeit ist differenziert aufgeführt, für welche Bereiche die berufliche Handlungsfähigkeit besteht und für welche Bereiche sie nicht besteht. Im Ergänzungsverfahren werden nur die Bereiche bewertet, für die zuvor keine Handlungsfähigkeit festgestellt wurde.
Bei einem ablehnenden Bescheid kann nach einer Frist von 12 Monaten erneut ein Antrag zum Zwecke der Wiederholung gestellt werden. Dafür muss glaubhaft gemacht werden, dass neue oder zusätzliche berufliche Handlungsfähigkeit erworben wurde. 
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Verfahrens ist in Baden-Württemberg dezentral geregelt. Die Beratung zur Validierung in einem Handwerksberuf findet für Personen aus Baden-Württemberg bei der Handwerkskammer Region Stuttgart statt.
Das Validierungsverfahren wird in allen dualen Ausbildungsberufen angeboten. Die Handwerkskammern in Baden-Württemberg stimmen sich über die Zuständigkeiten in einzelnen Berufen ab.
Die erste Beratung sowie die Prüfung der formalen Voraussetzungen übernimmt in Baden-Württemberg die Handwerkskammer Region Stuttgart.

Die Organisation und Durchführung des Bewertungsverfahrens ist in Baden-Württemberg dezentral geregelt, d. h. für die einzelnen Berufe sind unterschiedliche Handwerkskammern zuständig.

Die praktische Bewertung Ihrer beruflichen Kompetenz führt ein Feststellungstandem durch. Dieses besteht aus zwei für das Verfahren geschulten Prüfern. Grundlage für die Bewertung ist die jeweilige Ausbildungsordnung des Berufs.
Die gesamte Dauer hängt unter anderem von den individuellen Voraussetzungen, vom Umfang des Antrags und dem jeweiligen Beruf ab.

Die praktische Bewertung kann, je nach Beruf und Umfang der zu bewertenden beruflichen Handlungsfähigkeit, zwischen einem Tag und mehreren Tagen dauern.
Mit dem Zeugnis/Bescheid der Kammern erhalten Arbeitgeber eine verlässliche Bewertung der beruflichen Handlungsfähigkeit der Mitarbeitenden oder von Bewerbern, die keinen Berufsabschluss haben. So können diese passgenau eingesetzt oder zielgerichtet weiterqualifiziert werden.

Nicht zuletzt bedeutet das Zeugnis bzw. der Bescheid eine besondere Wertschätzung und kann die Mitarbeiterbindung stärken: Beruflich kompetente Menschen können im Betrieb gehalten und motiviert werden, sich weiterzuentwickeln. Somit leistet das Validierungsverfahren auch einen Beitrag zur Fachkräftesicherung.
Für Menschen mit Behinderung nach § 2 Absatz 1 Satz 1 SGB IX gelten zusätzliche Regelungen:
  • Es kann ein Nachteilsausgleich beantragt werden, wenn sich die gesundheitliche Einschränkung auf die Kompetenzfeststellung auswirkt.
  • Es kann ein Antrag auf eine Verfahrensbegleitung gestellt werden.
Wenn aufgrund von Art und Schwere der Behinderung die Feststellung der überwiegenden oder vollständigen, für die Ausübung des Referenzberufs erforderlichen beruflichen Handlungsfähigkeit nicht möglich ist, gibt es eine zusätzliche Möglichkeit:
  • Es ist ein Antrag auf teilweise Vergleichbarkeit der beruflichen Handlungsfähigkeit möglich.
  • Die Altersgrenze von mindestens 25 Jahren für die Antragsstellung entfällt.
  • Der Bescheid über die teilweise Vergleichbarkeit kann zusätzlich auch eine überwiegende oder vollständige Vergleichbarkeit mit einer Referenzausbildungsregelung gem. § 42r HwO ausweisen, sofern diese bundeseinheitlich geregelt ist.
 

  



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