Pressemitteilung der Handwerkskammer vom 16. Mai 2022Krisen treffen das Handwerk der Region
Am 11. Mai trafen sich die Mitglieder der Vollversammlung der Handwerkskammer zu ihrer Frühjahrssitzung. Dabei dominierten vor allem die Auswirkungen der derzeitigen Krisen auf das Handwerk in der Region den Austausch der Handwerker. Außerdem gab es für das oberste Gremium der Kammer aktuelle Informationen zu den Umbaumaßnahmen im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer (BTZ) und zwei Mitglieder erhielten für ihren langjährigen Einsatz die silberne Ehrennadel.
Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr
„Die aktuell wegen des Ukraine-Krieges rasant steigenden Preise für Strom, Gas und Treibstoffe entwickeln sich zunehmend zu einer ernsten Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit des Handwerks“, betonte Ulrich Bopp, Präsident der Handwerkskammer. Der Maurermeister berichtete über seine Erfahrungen im Bauhandwerk: „Vor allem Betonstahl ist aktuell nur schwer zu bekommen.“ Die Preise lägen dreimal so hoch wie im Vorjahr. Auch bei mit Öl erzeugten Materialien wie PVC-Rohren, Styropor und Dämmstoffen gebe es starke Preisanstiege.
Kosten im Nahrungsmittelhandwerk steigen
Von steigenden Preisen, langen Lieferzeiten und zurückhaltenden Kunden berichteten weitere Vollversammlungsmitglieder. Im Nahrungsmittelhandwerk gebe des deutliche Umsatzeinbrüche, betonte Fleischermeister Harald Hohl. „Wegen den Preisaufschlägen gehen viele Kunden lieber zum Discounter.“ Bäckermeister Bernhard Kuhn befürchtet, dass sich die Situation noch verschlimmert. „Wir mussten in diesem Jahr schon das zweite Mal die Preise erhöhen. Und Betriebe mit großem Filialnetz, das beliefert werden muss, trifft es wegen der hohen Spritpreise noch härter“, so der Obermeister der Bäcker-Innung Heilbronn.
Lange Lieferzeiten im Metall- und Elektrohandwerk
Kfz-Mechanikermeister Rainer Biedermann berichtete ebenfalls von längeren Lieferzeiten für Ersatzteile, aber auch von Zurückhaltung bei den Kunden. „Da werden Reparaturen schon mal zurückgestellt oder schwarz gemacht, weil die Werkstatt zu teuer ist“, erklärte der Obermeister der Innung des Kfz-Gewerbes Hohenlohe-Franken. Elektroinstallateurmeister Arno Feuchter aus Öhringen befürchtet, dass Betriebe bald Kurzarbeit anmelden müssten, weil sie kein Material bekommen. „Wir werden massiv ausgebremst, weil es überall klemmt. Zähler, Kabel oder Schalter sind nicht zu bekommen.“ Malermeister Ulrich Stein betonte, dass in seinem Handwerk bisher nur Dämmstoffe schwer zu bekommen seien. „Allerdings können teils die Speditionen nicht ausliefern“. Schreinermeister Michael Ehrler berichtete, dass viele Kunden bereits auf Preiserhöhungen warten und vermutete, dass einige Hersteller das für sich nutzten. „Aber wir sitzen doch alle auf dem gleichen Ast, an dem jetzt gesägt wird“, betont er. Kammerpräsident Bopp gab ihm recht: „Nächstes Jahr wundert man sich dann, wenn sich niemand mehr ein Haus leisten kann.“
Ungerechte Verteilung
Nach wie vor stören sich viele Handwerker an der aus ihrer Sicht ungerechten Verteilung der Lasten und Unterstützungsangebote. „Wenn Aktiengesellschaften großzügig Kurzarbeitergeld einstreichen, um dann hohe Gewinne auszuschütten, sollte man mal über eine Sonderabgabe nachdenken“, findet Elektroinstallateurmeister Ralf Rothenburger. Maurermeister Wolfgang Hammel fürchtet, dass auch bei den nächsten Wirtschaftshilfen für vom Krieg betroffene Unternehmen „die Autoindustrie sicher wieder die Hand aufhalten wird.“ Dabei sollten die Hilfen besser ins Handwerk gehen. „Viele Politiker sehen diese Ungerechtigkeit nicht“, kritisierte auch Ulrich Bopp. Bestes Beispiel sei die Rückzahlung der Soforthilfe, die kleine Betriebe wie Friseure und Kosmetiker besonders betroffen habe, weil sich die Förderrichtlinien ständig änderten und nicht der gesamte Zeitraum des Lockdowns bei der Berechnung der Umsatzausfälle berücksichtigt wurde. „Ich hatte die Soforthilfe zwar beantragt, aber direkt zurückgezahlt, als die Bedingungen geändert wurden“, bestätigte auch Friseurmeisterin Sabine Hammel aus Ilshofen. Überbrückungshilfe und Unternehmerlohn habe sie aber später bekommen.
Schnelle Entlastung gefordert
Die geplanten Entlastungen bei den Energiekosten hält der Kammerpräsident für bitter notwendig. „Das hilft auch Handwerksbetrieben, für die es unabdingbar ist, mit ihren Fahrzeugen zu den Kunden zu fahren“, so Bopp. Er forderte eine zeitnahe Umsetzung der Beschlüsse und sprach sich „für eine Reduktion der Steuersätze für Strom und Energie auf den jeweiligen EU-rechtlich vorgegebenen Mindestsatz aus. Ein weiterer Ansatzpunkt könnte eine zeitlich befristete Aussetzung der CO2-Bepreisung sein.“ Markus May, Vizepräsident der Arbeitnehmerseite, forderte, trotz berechtigter Existenzängste der Betriebe, den Fachkräftemangel nicht aus den Augen zu verlieren. „Um Kosten zu sparen, denken die Ersten schon über Personalabbau nach“, so May. Dabei sei es jetzt wichtig, Mitarbeiter zu halten und zu qualifizieren. „Dabei müssen auch Arbeitsbedingungen, Entlohnung und Altersvorsorge in den Fokus“, betont er.
Baumaßnahmen im BTZ
Johannes Richter, Leiter des Bildungs- und Technologiezentrums der Handwerkskammer (BTZ), berichtete über den aktuellen Stand der geplanten Baumaßnahmen im BTZ. Hier sollen durch Umnutzung von Flächen eine neue Werkstatt für den Meisterkurs der Zimmerer, ein Büro sowie zusätzliche Stellplätze entstehen. Zwar sei die Förderung von Bund und Land für Baukosten von rund 700.000 Euro bereits bewilligt. „Wir müssen aber davon ausgehen, dass aufgrund der derzeitigen Marktlage die Fördersummen nicht auskömmlich sein werden“, so der BTZ-Leiter. Es würden derzeit alle Möglichkeiten ausgelotet, um auf den bewilligten Förderbetrag zu kommen. Metallbauermeister Andreas Hemmerlein aus Lauffen betonte, dass man in Zweifel auch Mehrkosten ohne Förderung in Betracht ziehen sollte. „Wenn man schon baut, wäre es doch schade, alles radikal zu streichen“, findet er. „Alle Möglichkeiten, um das Projekt umzusetzen, werden genutzt“, betonte Richter. Wenn das gelingt, könnten die Bauarbeiten dann bereits in den Pfingstferien starten.
Ehrungen für zwei Mitglieder
Den Abschluss bildete die Ehrung von zwei Mitgliedern der Vollversammlung für ihr langjähriges Engagement im Handwerk. Die silberne Ehrennadel der Handwerkskammer Heilbronn-Franken erhielten Fleischermeister Harald Hohl aus Obersulm und Schreinermeister Andreas Hutz aus Heilbronn. Hohl ist seit 2005 Obermeister der Fleischer-Innung Heilbronn-Hohelohe-Schwäbisch Hall und Vorstandsmitglied der Kreishandwerkerschaft Heilbronn-Öhringen. Seit 2007 gehört er der Vollversammlung als ordentliches Mitglied an. Andreas Hutz ist seit 2004 ordentliches Mitglied der Vollversammlung und seit 2005 Obermeister der Schreiner-Innung Heilbronn.