Zwei Frauen und drei Männer stehen nebeneinander in einem Raum vor einer Leinwand, Mann ganz rechts spricht in ein Mikrofon.
Ramona Fritz

Pressemitteilung der Handwerkskammer vom 6. April 2022Zehn Jahre Berufsanerkennungsgesetz

Anfang April feierte das Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz (BQFG) sein zehnjähriges Jubiläum. Seit das Gesetz zur Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen am 1. April 2012 in Kraft trat, berät Bettina Ludwig bei der Handwerkskammer zur Antragstellung. Rund 2350 Beratungen hat sie im Lauf der Jahre durchgeführt. „Diese Beratungen sind wichtig, um zu klären, welche beruflichen Qualifikationen vorliegen, ob sie zum angestrebten deutschen Referenzberuf passen und ob Nachweise zur Ausbildung im Ausland vorhanden sind“, erklärt Ludwig. Denn im Anerkennungsverfahren werden die theoretischen und praktischen Inhalte der ausländischen Bildungsabschlüsse mit den deutschen Abschlüssen verglichen. So bleiben die handwerklichen Qualitätsstandards der Gesellen- und Meisterbriefe erhalten, während vorhandene Fähigkeiten genutzt und ergänzt werden können.

Mehr als 200 Erfolgsgeschichten

273 Anerkennungsverfahren hat Bettina Ludwig in den letzten zehn Jahren in die Wege geleitet. Davon führten 76 zu einer Bescheinigung der vollen Gleichwertigkeit. So wie bei Evija Simane: Die 49-Jährige stammt aus Lettland, wo sie eine Ausbildung zur Bekleidungsgestalterin machte. Seit 2011 arbeitet sie in Deutschland. Auf Anregung des Betriebsrats ihres damaligen Arbeitsgebers in Auenstein, beantragte sie im Herbst 2020 die Anerkennung ihrer Qualifikationen. „Da ich in Lettland alle Unterlagen digital bekommen konnte, ging das Verfahren sehr schnell“, erinnert sie sich. Innerhalb von sechs Wochen wurde ihre Ausbildung als gleichwertig zum Beruf Maßschneider anerkannt.

  Top 5 der häufigsten Herkunftsländer der Antragsteller

  1. Bosnien und Herzegowina (33)
  2. Rumänien, Türkei (30)
  3. Serbien (23)
  4. Polen (22)
  5. Syrien (20)

Vom Praktikant zum Meister

Wenn sich die Gleichwertigkeit der Ausbildung nicht anhand von Dokumenten überprüfen lässt, etwa, weil diese auf der Flucht verloren gingen oder im Heimatland schwierig zu beschaffen sind, können die Antragsteller ihre Fähigkeiten auch anhand einer Qualifikationsanalyse feststellen lassen. 23 dieser Analysen hat die Kammer in den vergangenen zehn Jahren durchgeführt. Diesen Weg ging Mentor Musa. Der 33-Jährige hatte in seiner Heimat im Kosovo eine Ausbildung im Bereich Kfz gemacht. „Als ich hierherkam, wusste ich nichts von dieser Möglichkeit, wollte aber direkt arbeiten“, erinnert er sich. Er machte ein Praktikum bei den Verkehrsbetrieben Heilbronn, wo man sein Potenzial erkannte und ihn auf das Anerkennungsverfahren hinwies. Leider hatte Musa keine Unterlagen zu seiner Ausbildung. Mit einer Arbeitsprobe und einem Fachgespräch bewies er seine Kenntnisse, die denen im Ausbildungsberuf Kfz-Mechatroniker Schwerpunkt Nutzfahrzeugtechnik gleichwertig waren. „Ein Jahr nach der Anerkennung habe ich mich dann entschlossen, noch den Meister im Kfz-Handwerk zu machen“, erklärt Mentor Musa. Im Dezember 2021 hat er die Meisterprüfung bestanden.

  Top 5 der häufigsten Berufe der Antragsteller

  1. Elektroniker (63)
  2. Kfz-Mechatroniker (61)
  3. Zahntechniker (21)
  4. Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Friseur (15)
  5. Tischler (14)

Viel Unterstützung durch Betriebe

Die meisten Anträge (127) führten in den letzten zehn Jahre zu einer teilweisen Anerkennung. Die fehlenden Kenntnisse und Fähigkeiten können in diesem Fall durch Anpassungsqualifizierungen im Betrieb erworben werden. 23 davon wurden im Kammergebiet in den letzten zehn Jahren durchgeführt. Etwa von der ZMT GmbH in Mainhardt. Im Oktober 2015 stellte Geschäftsführer Jochen Kugele Selver Kadriu als Elektrohelfer in seinem Betrieb ein. Der 28-Jährige stammt aus Nordmazedonien und hatte in Italien eine Ausbildung im Bereich Elektroinstallationen gemacht. Personalchefin Sabine Wulle nahm deshalb Kontakt zur Handwerkskammer auf und unterstützte ihn beim Anerkennungsverfahren. Nach der Teilanerkennung seiner Qualifikationen Anfang 2019 bekamen sie einen Plan, welche Kenntnisse zum Beruf des Elektronikers Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik noch fehlten. Durch Schulungen im Betrieb und Teilnahme an den Kursen der Überbetrieblichen Ausbildung (ÜbA) im Bildungs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer (BTZ) holte Kadriu diese in zwei Jahren nach und erhielt im November 2020 die volle Gleichwertigkeit. „Ich bin sehr froh über die Unterstützung von meinem Chef und allen Kollegen. Wir sind wie eine Familie“, erklärt Kadriu. „Die Anerkennung war zwar langwierig, aber auch ein Erfolgserlebnis für mich und den ganzen Betrieb“, betont Sabine Wulle.

Für Lucian-Mihai Murariu führte das Anerkennungsverfahren zu einem festen Arbeitsvertrag. „Dafür bin ich sehr dankbar“, betont er. Der 31-Jährige hatte in seiner Heimat Rumänien eine Ausbildung zum Elektrotechniker gemacht, arbeitete aber nach seiner Ankunft in Deutschland zunächst als Leiharbeiter in anderen Bereichen. Nach der teilweisen Anerkennung seiner Fähigkeiten, brauchte er einen passenden Betrieb, um sich die fehlenden Kenntnisse anzueignen. Die Hopfengärtner Elektrosystemtechnik GmbH in Heilbronn übernahm ihn und unterstützte ihn bei der Qualifizierung im BTZ. 2018 erhielt Murariu die volle Gleichwertigkeit als Elektroniker Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik und arbeitet nun als Fachkraft bei Hopfengärtner.

  Weitere Informationen

Bettina Ludwig

Berufsbildung, Anerkennung ausländischer Bildungsnachweise

Tel. 07131 791-162

Fax 07131 791-2562

Bettina.Ludwig--at--hwk-heilbronn.de

  www.hwk-heilbronn.de/anerkennung

Erfolg zum Jubiläum

Den jüngsten Erfolg mit einer Anpassungsqualifizierung gab es für Charles Patrick De Lima Perey. Der 28-Jährige erhielt seinen Bescheid zur vollen Gleichwertigkeit seiner Qualifikationen mit dem Beruf Feinwerkmechaniker Maschinenbau pünktlich zur Feier des 10-jährigen Jubiläums des BQFG überreicht. Er hatte bereits auf den Philippinen Maschinenbau und Schiffstechnik studiert und kam 2020 dank des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes nach Deutschland. Dabei ist die volle oder teilweise Anerkennung nach dem BQFG eine Voraussetzung für die Einreise. „Es ist zwar schwer seine Heimat zu verlassen, aber ich bin dankbar für die Chance“, sagt De Lima Perey. Seit Anfang 2021 arbeitet er bei der Kurt Betz GmbH in Leingarten, wo er auch die Anpassungsqualifizierung ermöglicht bekam.

Eine Frau und ein junger Mann mit einer blauen Mappe stehen nebeneinander vor einem bunten Banner und lächeln in die Kamera.
Ramona Fritz